Und was immer euch an Unglück trifft,
es ist für das, was eure Hände erworben haben.
As-Shura 30
Eine Flagge ist ein Stück Stoff, in der Regel rechteckig, von charakteristischer Farbe und Gestaltung, das als Symbol, Signal oder Emblem verwendet wird. Die Fahne steht für eine Idee. Mit dieser Idee sollen sich Menschen identifizieren und sie dadurch solidarisieren und mobilisieren, z.B. für ein Land, einen Fußballklub oder eine politische Partei.
Die palästinensische Flagge steht heutzutage in erster Linie als Symbol für den Widerstand gegen die zionistische Besatzungsmacht, die den Palästinenser ihr Land klaut und sie auf das Äußerste misshandelt. Palästina soll frei werden von diesem Geschwür und ein eigenes Land. Und natürlich sollten auch andere Muslime solidarisch sein und gegen dieses große Unrecht etwas tun, aber sollten sie sich wirklich hinter diese Fahne stellen und der ihr zugrunde liegenden Idee?
Im Islam ist es essentiell, die richtige Intention zu haben. Nur wer für Allah lebt und kämpft, kann auf das Paradies und einen Märtyrertod hoffen. Wenn wir für etwas anderes leben und kämpfen, z.B. für falsche selbstgemachte Ideen oder Ideologien, sind wir wie Götzendiener, die auch selbstgemachte Bilder verehren. Deswegen sollten wir bei aller Sympathie und Empathie für unsere Brüder und Schwestern dieses Symbol noch einmal hinterfragen. Woher stammt es eigentlich?
Die Ursprünge der Fahne
Die Wurzeln der palästinensischen Flagge reichen bis in die Zeit der arabischen Nationalbewegung am Vorabend des Ersten Weltkriegs zurück, insbesondere auf die 1911 in Paris gegründete al-Fatat (Junge Arabische Gesellschaft) und die 1913 in Kairo gegründete Osmanische Partei für administrative Dezentralisierung. Die Führer dieser Bewegungen wollten ein Symbol und Emblem schaffen, das die arabischen Provinzen übernehmen konnten, als sie sich von der osmanischen Herrschaft lösten. Es kombiniert drei Farben: Schwarz, Weiß und Grün, wie in "The Third Cry", einer Erklärung der Young Arab Society, erläutert wird: "Friede sei mit dir, unsere Nation, Friede. Möge die Rechtschaffenheit unsere Nation in der Schwärze der Nacht, dem Weiß des Gewissens und dem Grün der sicheren Hoffnung beschützen."
Als Sharif Hussein im Hijaz am 10. Juni 1916 den arabischen Aufstand gegen die osmanische Herrschaft ausrief, erschien die Farbe Rot als Dreieck auf der Flagge. Am ersten Jahrestag der Erklärung im Jahr 1917 wurde beschlossen, dass die Flagge des neuen haschemitischen Staates horizontale Bänder in Schwarz, Grün und Weiß haben sollte, mit einem zinnoberroten Dreieck, das sich am Stab über die gesamte Breite der Flagge erstreckt und doppelt so weit in die Flagge hineinragt wie ihre Höhe. Obwohl die Fahne für den säkularen arabischen Nationalismus steht, wurde die Wahl der Farben im Nachhinein durch die islamische Symbolik erklärt, so von Mahdi Abdul Hadi in "The Evolution of the Arab Flag": Schwarz als die schwarze Standarte Muhammads, des Raschidun-Kalifats und des Abbasiden-Kalifats, Weiß als die Flagge des Umayyaden-Kalifats, Grün als die Flagge des Fatimiden-Kalifats und Rot als die Flagge der Khawarij. Diese vierfarbige Flagge wurde anstelle der osmanischen Flagge gehisst als die arabischen Rebellen am 30. September 1918 in Damaskus einmarschierten.
Die Fahne stand also von Anfang an für Rebellion. Allerdings einer Rebellion, die sich gegen den Kalifen der islamischen Welt richtete und von den Briten unterstützt wurde, den Feinden des Islams. Die Briten wiederum befreiten Palästina von osmanischer Herrschaft, um es, wie in der Balfourt-Deklaration versprochen, den Zionisten zur Besiedlung zu überlassen.
Was für eine Ironie! Der Kampf unter dieser Fahne war also einer der Hauptgründe, warum Palästina überhaupt erst von den Zionisten erobert werden konnte! Denn die Zionisten konnten sich deswegen in Palästina breit machen, weil es keinen gemeinsamen Führer der Muslime gab. Und den gab es unter anderem deswegen nicht mehr, weil die Araber diese Fahne gehisst haben und zusammen mit den Ungläubigen gegen ihre Glaubensbrüder gekämpft haben anstatt gemeinsam unter der Fahne des Darul Islam! Die Revolution frisst ihre Kinder! Und nun soll die Fahne wiederum als Symbol für eine Rebellion stehen, um sich von dem zu befreien, was die erste Rebellion verursacht hat!
Was dich an Gutem trifft, ist von Allah,
und was dich an Bösem trifft, ist von dir selbst.
An-Nisa 79
Die Führer der palästinensischen Nationalbewegung, die sich Ende 1920 von der nationalistischen Bewegung in Damaskus unabhängig machte, übernahmen die Flagge der arabischen Revolte als Flagge Palästinas und als Symbol der ersten nationalen Befreiungsbewegung in der arabischen Welt und als ersten Schritt zur arabischen Einheit. Die einzige Änderung, die sie an der Flagge vornahmen, betraf die Anordnung der drei horizontalen Streifen: Sie platzierten das Schwarz oben, das Weiß in der Mitte und das Grün am unteren Rand. Nach dem Ende des britischen Mandats verkündete der Palästinensische Nationalrat, der am 30. September und 1. Oktober 1948 auf Einladung der gesamtpalästinensischen Regierung in Gaza tagte, die Unabhängigkeit Palästinas und erklärte die Flagge des arabischen Aufstands zur Flagge Palästinas.
Die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) beschloss schließlich die Spezifikationen für die endgültige palästinensische Flagge. Diese Flagge wurde zur Flagge des palästinensischen Widerstands, als dieser 1965 begann, und zur Flagge des Staates Palästina, der im November 1988 vom Palästinensischen Nationalrat in Algier ausgerufen wurde. Sie wurde dann zum offiziellen Emblem der Palästinenser und zum offiziellen Emblem der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA), die 1994 in den Selbstverwaltungsgebieten eingerichtet wurde.
Am 22. Dezember 2005 erließ Mahmoud Abbas, Vorsitzender des PLO-Exekutivkomitees und Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, ein Gesetz über die Unantastbarkeit der palästinensischen Flagge, das so genannte Gesetz 22 von 2005. Es legt die Farben und Abmessungen der Flagge fest, wie sie zu respektieren ist, wo sie gehisst werden sollte und welche Strafen bei Verstößen gegen das Flaggengesetz verhängt werden.
Das Gesetz besagt, dass die Flagge an allen Gebäuden der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) sowie an den Gebäuden von Institutionen, die der PA, ihren Streitkräften und ihren Vertretungen im Ausland gehören, sowie an Feiertagen und bei allen nationalen Anlässen gehisst werden muss. Keine andere Flagge darf auf Regierungsgebäuden oder -einrichtungen oder auf öffentlichen Plätzen gehisst werden, und keine andere Flagge oder ein Zeichen in Form einer Flagge darf an demselben Ort über der palästinensischen Flagge gehisst werden. Das Gesetz besagt, dass die Flagge respektiert werden muss und weder in Worten noch in Taten missbraucht oder verächtlich behandelt werden darf. Sie muss sauber gehalten und in einem Zustand gehalten werden, der ihrem symbolischen Status entspricht.
Den symbolischen Status erklärte Mahmoud Abbas, als am 30. September 2015 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zum ersten Mal die palästinensische Flagge neben den Flaggen der UN-Mitgliedstaaten gehisst wurde: "Dies ist ein historischer Moment im Kampf unseres Volkes. Diese Flagge repräsentiert unsere nationale Identität und ist all jenen gewidmet, die im Konflikt getötet oder inhaftiert wurden". Am selben Tag beschloss er, diesen Tag zum Tag der palästinensischen Flagge zu erklären.
Gut, nun fragen wir das Folgende:
1) Wenn ich im Kampf für einen arabischen Nationalstaat kämpfe und sterbe, bin ich dann in den Augen Allahs ein Märtyrer?
2) Was wäre, wenn die Palästinenser es wider Erwarten schafften, sich des zionistischen Joches zu befreien und ihren ersehnten Staat endlich bekämen, bekäme ich dann als deutscher Muslim ohne besondere Bedingungen eine Aufenthaltsgenehmigung in diesem Staat?
3) Würde islamisches Recht eingeführt werden?
Die letzten beiden Fragen dürfen wir getrost mit "nein" beantworten, jedenfalls was die Fatah und die Autonomie-Behörde angeht. Bei der Hamas sieht es etwas anders aus, aber da der Widerstand gegen die Besatzungsmacht so in den Vordergrund getreten ist, ist das letztliche Ziel etwas obskur. Da die Hamas jedoch aus der Muslimbruderschaft hervorgegangen ist, darf man annehmen, dass ein palästinensischer Nationalstaat nur eine Vorstufe zu Darul Islam unter einem gemeinsamen Kalifen sein soll.
Hamas schwenkt momentan beide Fahnen, sowohl die des arabischen Nationalstaates als auch die islamische Fahne. Eigentlich ein Widerspruch. Aber der Gründer der Muslimbruderschaft, Hassan al-Banna, war recht pragmatisch und der Meinung, dass es unmöglich wäre, das Endziel Kalifat direkt anzusteuern, und bevorzugte einen dezentralisierten Schritt-für-Schritt Ansatz.
Die Muslimbruderschaft
Al-Banna erfuhr von der Abschaffung des osmanischen Kalifats im Jahr 1924, als er noch Student war. Dieses Ereignis beeinflusste ihn stark; obwohl das Kalifat keine Macht hatte, betrachtete er sein Ende als "Unglück". Später nannte er die Ereignisse eine "Kriegserklärung an alle Formen des Islam"..
Hassan al-Banna lernte in Kairo viele wichtige Denker kennen und stand auch mit Rashid Rida in persönlichem Briefkontakt. Hier entwickelte Al-Banna einen ideologischen Rahmen, der die Weltsicht früherer islamischer Erweckungsbewegungen in Rashid Ridas Interpretation zusammenfasste. Eine der wichtigsten Ideen der Erweckungsbewegung, die Rida vertrat, war die Gründung eines islamischen Staates, der nach der Scharia regieren und zu einer Gesellschaft nach dem Vorbild der Zeit Muhammeds s.a.w. und seiner Gefährten zurückkehren sollte. Diese Idee eines revolutionären Kampfes auf der Grundlage islamischer Prinzipien sollte Hassan al-Banna in seinem späteren Leben leiten und sich in der Gründung der Muslimbruderschaft manifestieren.
Zunächst war die Muslimbruderschaft nur eine von vielen kleinen islamischen Vereinigungen, die zu dieser Zeit existierten. Ähnlich wie die Organisationen, denen al-Banna selbst in jungen Jahren beigetreten war, zielten diese Organisationen darauf ab, die persönliche Frömmigkeit zu fördern, und widmeten sich rein karitativen Aktivitäten. Ende der 1930er Jahre hatte die Muslimbruderschaft in allen ägyptischen Provinzen Zweigstellen gegründet. Ein Jahrzehnt später zählte die Organisation allein in Ägypten 500.000 aktive Mitglieder und ebenso viele Sympathisanten. Ihre Anziehungskraft beschränkte sich nicht nur auf Ägypten; ihre Popularität wuchs auch in mehreren anderen Ländern.
Al-Banna war bestrebt, Reformen durch den Aufbau von Institutionen, unermüdlichen Aktivismus an der Basis und die Nutzung der Massenkommunikation zu erreichen. Er baute eine komplexe Massenbewegung auf, die sich durch ausgeklügelte Führungsstrukturen auszeichnete, durch Sektionen, die die Werte der Gesellschaft unter Bauern, Arbeitern und Fachleuten fördern sollten, durch Einheiten, die mit Schlüsselfunktionen betraut waren, darunter die Verbreitung der Botschaft, die Verbindung zur islamischen Welt und zur Presse sowie Übersetzungen, und durch spezialisierte Ausschüsse für Finanzen und Rechtsangelegenheiten.
Al-Banna war nicht nur ein unermüdlicher Arbeiter, der enorm viel in seinem kurzen Leben erreichte, er erkannte auch, dass Muslime nur zu einer Einheit finden können, wenn unter anderen folgende Bedingungen erfüllt werden:
1. Islam muss entschlackt werden! Inspiriert von der frühen Salafi-Bewegung, wendete er sich gegen all die unislamischen Dinge, die sich im Laufe der Geschichte in den Islam eingeschlichen hatten (bid'a). Dabei geriet er aber nicht ins Extrem. Er sah z.B. Tassauwuf als einen essentiellen Teil des Islams an, war aber sehr kritisch gegenüber Tariqats und ihren Praktiken.
2. Er vermied Debatten über Punkte, in denen sich viele Muslime uneins sind, und deklarierte viele dieser Diskussionen als nicht mehr in die Zeit gehörend und mittelalterlich.
3. Da es unmöglich ist, alle Regierungen direkt unter einem Kalifat zu vereinen, muss enorme Vorarbeit geleistet werden vor allem an der Basis, und erstmal das Bewusstsein generiert werden, die den Wechsel schließlich bewirken kann.
4. Die Organisation eröffnete Zweigstellen in verschiedenen Ländern, gab ihnen aber eine gewisse Autonomie zu entscheiden, wie in der jeweiligen Situation das Ziel am besten anvisiert werden könnte, sei es durch Kooperation mit der Regierung, Beteiligung an Wahlen oder aber, gerade am Beispiel der Hamas, bewaffneten Widerstand.
Alle diese Punkte sollten von Muslimen heute noch beachtet und umgesetzt werden, denn jedem sollte klar sein, dass letztendlich nur ein Kalifat die Probleme der Muslime und der Welt lösen kann und entsprechende Anstrengung in diese Richtung unternehmen. Allerdings ist gerade beim letzten Punkt äußerste Vorsicht geboten. Organisationen jedweder Art können unterlaufen oder korrupt werden, sich in internen und externen Streitereien verlieren oder ihre Richtung ändern (Muslimbruderschaft). Sie sind außerdem feindliches Ziel jeden Nationalstaates und werden gemeinhin verboten (Hizb ut-Tahrir) oder als Terrororganisation verunglimpft (Hamas). Oder sie werden gar von Anfang an von den Feinden des Islams aufgebaut, um gutgläubige Muslime einzufangen und für ihre Agenda kämpfen zu lassen (ISIS).
Deswegen sollte man sich in erster Linie auf den dritten Punkt konzentrieren, unter Beachtung der ersten beiden Punkte. Dies geht am besten heutzutage im persönlichen Gespräch und über Internet und soziale Netzwerke (solange der Kampf gegen Desinformation und Hassreden im Internet noch am Anfang steht). Ansonsten sollte man sich von Verpflichtungen gegenüber eines Nationalstaates soweit es geht entledigen, in ländliche Gegenden emigrieren und möglichst autark werden. Man sollte für sich und seine Familie die Fahne des Darul Islam hissen und sich bereits als Teil von ihm verstehen, als Teil der Ummah, und nicht als Teil einer bestimmten Gruppierung oder Landes.
InshaAllah, bald wird die Hilfe Allahs kommen und die schwarzen Fahnen aus dem Osten erscheinen. Nicht die palästinensische Fahne wird in Jerusalem gehisst werden, sondern die schwarzen Banner des Mahdi! Und diejenigen, die sie dort hissen werden, werden nicht erst bei einer palästinensischen Botschaft um ein Visum anstehen und die Autonomiebehörde um Erlaubnis fragen! Jerusalem wird Hauptstadt des Kalifats werden und nicht eines weiteren korrupten arabischen Nationalstaats.
____________________
Verwandte Artikel
Gaza im Kontext Das Problem Gaza ist sehr facettenreich. Wir werden versuchen, es aus verschiedenen Winkeln zu beleuchten, müssen aber gestehen, dass selbst wenn jemand die Dinge in der Endzeit sorgfältig analysieren würde, er verwirrt wäre... |